Welchen Vorteil wünschen Sie sich?

Rehe und Hirsche verursachen in der Schweiz massive Schäden am Wald. Dagegen wird bislang zu wenig unternommen. Das soll sich bald ändern. Foto: Unsplash

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Wildproblem: Bund muss jetzt Lösungen aufzeigen

Weil die natürliche Waldverjüngung durch hohe Wildbestände und Verbiss bedroht ist, hat Ständerat Othmar Reichmuth (Mitte, SZ) einen Vorstoss eingereicht, der im Juni angenommen wurde. Was hat das zu bedeuten?

Mit der Annahme des Postulats «Zukunftsfähige Wälder sind nur mit gesetzeskonformem Wildverbiss möglich!» von Ständerat Othmar Reichmuth und der Überweisung der Motion des Berner Grossrates Bernhard Riem (Mitte) zur Erarbeitung einer kantonalen Strategie Wald-Wild-Lebensraum wurden fast gleichzeitig sowohl auf nationaler als auch zum wiederholten Mal auf kantonaler Ebene die Zeichen der Zeit politisch erkannt. Die Waldfachleute aus Praxis, Lehre und Forschung, insbesondere aber auch die Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer sind wegen der jahrzehntelangen Verjüngungsdefizitee in vielen Wäldern, verursacht durch Verbiss- und Schälschäden alarmiert und haben mit überzeugenden Argumenten zu diesen Vorstössen gedrängt. 

Auf dem Hintergrund des Klimawandels und des auch im LFI5 festgestellten gestressten Zustands des Schweizer Waldes mit wachsendem Totholzanteil und Zwangsnutzungen wird nun die Dringlichkeit der Problematik deutlich. Die Politikerinnen und Politiker haben reagiert und bestätigen damit, dass ein nachwachsender Wald von grösster Bedeutung ist. WaldSchweiz hat den Ständerätinnen und Ständeräten vor der Abstimmung mittels Briefen erläutern können, um wie viel es geht: Neben der gefährdeten Schutzwaldfunktion stehen auch Holzversorgung, Biodiversität und Erholungswald auf dem Spiel.

Schlüsselfaktor Naturverjüngung

Der Klimawandel verlangt für die Wald-
entwicklung in kurzer Zeit zwingend einen Waldumbau, welcher meist über die Verjüngung erfolgen muss. Da eine vielfältige Naturverjüngung auch verbissanfälligere Baumarten umfasst, z.B. die Weisstanne, die Ahorne oder andere klimafitte Arten, wird der Wildbestand auf tragbarem Niveau zum Schlüsselfaktor. 

Heutzutage stehen den Regionen mit einer funktionierenden Verjüngung solche mit vielen Problemen gegenüber: Dort sind die waldbaulichen Möglichkeiten weitgehend ausgeschöpft, und der Nachwuchs kann ohne markante Reduktion der Verbiss- und Schälschäden nicht funktionieren. Weil das Wild unbestritten zum Ökosystem Wald gehört und Platz haben muss, stellt sich somit die Frage des Masses des Wildtiereinflusses. Hinzu kommen viele andere Einflüsse auf den Wald wie die Freizeitnutzung oder die intensive Nutzung des Kulturlandes ausserhalb vom Wald. Auch die Waldbewirtschaftung birgt noch Verbesserungspotenzial, obwohl in den letzten drei Jahrzehnten grosse Fortschritte bezüglich der Lebensraumverbesserungen erzielt wurden.

Lösungen sind gemeinsam mit allen Betroffenen zu suchen, denn letztlich wollen ja alle aus ihrer Sicht das Beste für den Wald. Die Jägerschaft sollte ihre Aufgabe für die Ökosysteme als Chance und zeitgemässe Dienstleistung sehen; damit wird die Notwendigkeit der Jagd in der Gesellschaft gestärkt. Von der Schweizerischen Gebirgswaldpflegegruppe, dem Schweizerischen Forstverein, dem Verbund Waldbau Schweiz und WaldSchweiz wurden die waldseitigen Bedürfnisse in die politische Diskussion eingebracht. Aufgrund des Postulats muss der Bundesrat respektive das Bundesamt für Umwelt (BAFU)  im nun zu erstellenden Bericht aufzeigen, mit welchen konkreten Massnahmen der Wildeinfluss auf die Waldverjüngung innert weniger Jahre flächendeckend auf ein gesetzeskonformes Mass reduziert werden kann. Er muss zeigen, wie das Controlling mit forstlichen und jagdlichen Zielen, Indikatoren und Erfassungsmethoden ausgestaltet sein wird, damit der Bund gemäss Bundesverfassung Art. 77 Abs. 1 sicherstellen kann, dass der Wald seine Funktionen nachhaltig erfüllen kann. Der Bund muss nun die Lösungen aufzeigen, weil die bisherigen Werkzeuge zur Sicherung der natürlichen Verjüngung mit standortsgerechten Baumarten ohne Schutzmassnahmen in den letzten Jahrzehnten bisher nicht genügten; an der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen in der Umsetzung muss deswegen nichts geändert werden, aber wohl an der Wahrnehmung der eigenen Verantwortung durch den Bund und durch die Kantone.

Text: Anja Leser, Geschäftsführerin Berner Waldbesitzer BWB, und Felix Lüscher, Dossierverantwortlicher Wald-Wild Schweizerische Gebirgswaldpflegegruppe

Info:

Das Argumentarium für Annahme Postulat Reichmuth 23.3129 kann unter 
https://www.forstverein.ch/de/downloads/stellungnahmen 
heruntergeladen werden.

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