Welchen Vorteil wünschen Sie sich?

«Die Biodiversität im Schweizer Wald ist schon auf einem hohen Niveau», sagt WaldSchweiz-Präsident Daniel Fässler. Der Verband ist Teil einer Allianz von Wirtschaftsverbänden, welche die Biodiversitätsinitiative bekämpft. Fotos: WaldSchweiz/Jaquemet | Parlamentsdienste 3003 Bern

Verband & Politik | ZeitschriftenLesezeit 4 min.

«Die Biodiversitätsinitiative hat für den Wald keinen Mehrwert»

Am 22. September 2024 kommt die Biodiversitätsinitiative zur Abstimmung. Daniel Fässler, Präsident von WaldSchweiz und Mitte-Ständerat für den Kanton Appenzell Innerrhoden, erklärt, warum WaldSchweiz die Initiative zur Ablehnung empfiehlt.

Interview Ralph Möll |
Daniel Fässler, WaldSchweiz ist Teil einer Allianz von Wirtschaftsverbänden, welche die Biodiversitätsinitiative bekämpft. Warum lehnt der Verband diese Initiative ab?

Die Initiative ist für den Wald überflüssig, denn die Biodiversität im Wald ist schon heute unbestritten auf einem hohen Niveau. Das hat auch das Bundesamt für Umwelt (BAFU) in seiner Publikation «Waldpolitik 2020» bestätigt. Darin hebt es nicht nur die steigende ökologische Qualität der Schweizer Wälder hervor, sondern es betont auch deren Bedeutung für den Erhalt der heimischen Artenvielfalt. Zusammen mit der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) hat das BAFU zudem festgestellt, dass die Waldbiodiversität erhalten geblieben ist und sich im Einklang mit den waldpolitischen Zielen des Bundes entwickelt.

Der Wald sowie seine Eigentümerinnen und Eigentümer tun also zweifellos schon viel für die Biodiversität. Aber kann überhaupt genug für die Biodiversität getan werden?

Unsere Ablehnung der Initiative ist kein Entscheid gegen die Biodiversität, im Gegenteil: Der Wald ist wichtig für die Biodiversität. Etwa sechzig Prozent der in unserem Land vorkommenden Pflanzen, Tiere, Pilze und Bakterien sind auf den Lebensraum Wald angewiesen. Der Wald hat aber auch noch andere Funktionen: Er ist Naherholungs­gebiet, er hat eine Schutzfunktion, und er hat auch eine Nutzfunktion. Die Initiative hätte wesentliche Auswirkungen auf Waldpflege und Waldnutzung.

Inwiefern?

Mit jeder Initiative wird im Vergleich zur aktuellen Situation eine Änderung verlangt. Dies ist bei dieser Initiative nicht anders. Die Diskussionen um den vom Parlament abgelehnten indirekten Gegenvorschlag haben gezeigt, dass auch der Wald betroffen wäre. Es würden noch mehr Waldreservate verlangt, in denen forstliche Eingriffe in der Regel untersagt sind. Die der Nutzung zur Verfügung stehenden Waldflächen würden noch mehr reduziert. Das ist nicht im Interesse der Waldeigentümer und der Holzwirtschaft.

Was geschähe, würde die Initiative
angenommen?

Das Parlament müsste die Initiative auf Gesetzesebene umsetzen. Im Initiativtext steht, dass die Natur auch ausserhalb der Schutz­objekte zu schonen sei. Was dies für den Wald heisst, ist völlig offen. Zwar schreibt das Waldgesetz schon heute eine nachhaltige Waldbewirtschaftung vor. Diese unterstützt den Erhalt und die Förderung der Biodiversität im Wald bereits zum jetzigen Zeitpunkt, gleichzeitig schränkt sie die Waldeigentümerinnen und -eigentümer in der Nutzung aber stark ein. Die Kantone bestimmen wertvolle Räume im Wald, welche als Reservate ausgeschieden werden können. Dies geschieht in der Regel mit der Zustimmung der Waldeigentümerschaft, die dafür auch entschädigt wird. Würde die Initiative angenommen, ist davon auszugehen, dass das heutige waldpolitische Ziel, zehn Prozent der Waldfläche als Waldreservate auszuscheiden, deutlich erhöht würde. Dies hätte für Wald­eigentümerinnen und -eigentümer zusätzliche Einschränkungen zur Folge. Verbesserungen können sie durch diese Initiative nicht erwarten. Das ist nicht im Sinne von WaldSchweiz. Deshalb hat der Zentralvorstand beschlossen, der Allianz beizutreten und damit ein Zeichen zu setzen, dass er die Initiative ablehnt.

Der Schweizer Wald ist gross. Er erstreckt sich über rund einen Drittel des Landes. Fällt die von der Initiative betroffene Fläche überhaupt ins Gewicht?

Ja, sehr. Denn wenn zwanzig Prozent der Waldfläche als Waldreservate geschützt werden müssten, würde dies rund sieben Prozent der Fläche der Schweiz ausmachen. Das ist sehr viel. Dabei darf man nicht vergessen, dass der Wald faktisch schon heute zu einem Fünftel Waldreservat ist: Zwanzig Prozent der Waldfläche werden seit einem halben Jahrhundert gar nicht mehr bewirtschaftet. Die Gründe dafür sind mannigfaltig: Sei es, weil die betroffenen Wälder schlecht erschlossen sind oder sich die Bewirtschaftung nicht lohnt. Hinzu kommen Wälder von privaten Waldbesitzerinnen und -besitzern, die nicht mehr in der Lage sind, ihren Wald selbst zu pflegen. Wird ein Wald nicht mehr gepflegt, ist die Erholungsfunktion nicht mehr gewährleistet, da das Betreten des Waldes gefährlich sein kann.

Also gäbe es bei Annahme der Initiative nicht nur weniger Nutzfläche in den hiesigen Wäldern, sondern auch weniger Erholungsfläche?

Ja. Werden mehr Reservate ausgeschieden, die nicht mehr gepflegt und genutzt werden dürfen, schrumpft auch die Erholungsfläche. Dabei schadet die Waldpflege der Biodiversität ja nicht; im Gegenteil. Mit geschickten Eingriffen wird die Biodiversität sogar gefördert. Man lässt hier einen Asthaufen, dort etwas Schadholz liegen, statt alles herauszuholen. Dieses Material verrottet dann während zwei bis drei Jahrzehnten und bildet wertvolle Lebensräume. Das anerkennen heute auch Naturschutz­organisationen.

Der Biodiversität zugutegekommen ist auch Ihre Motion «Sicherstellung der nachhaltigen Pflege und Nutzung des Waldes». Rund 28 Millionen Franken wurden damit zwischen 2020 und 2024 für Biodiversitätsmassnahmen im Wald bereitgestellt.
Wie geht es ab 2025 weiter?

Um diese Gelder zu verstetigen, habe ich die Folgemotion «Wald. Rasche Anpassung an den Klimawandel ist dringend» lanciert. Der Ständerat hat sie als erstberatendes Gremium mit grossem Mehr bei nur drei Gegenstimmen angenommen. Die UREK-N, die zuständige Kommission des Nationalrats, folgte dem Ständerat und beantragt dem Nationalrat mit 17 zu 4 Stimmen, die Motion anzunehmen. Der Nationalrat wird in einer der kommenden Sessionen über diese Motion befinden. Ich bin zuversichtlich, ist doch die Relevanz des Waldes und der Biodiversität nicht bestritten. ′ 

 

Gefällt Ihnen dieser Beitrag? In der Zeitschrift "Wald und Holz" finden Sie den gesamten Artikel sowie zahlreiche weitere lesenswerte Artikel.

Wald und Holz jetzt abonnieren

ähnliche News aus dem Wald